Ist das Future Learning oder kann das weg? 

Es gibt keinen Klassenverband mehr, kein klassisches Klassenzimmer, keine Trennung der Fächer, keinen Stundenplan. Stattdessen Schülerinnen und Schüler, die in offenen Lern- und Laborlandschaften selbstorganisiert an einem Projekt ihrer Wahl arbeiten, während die Lehrkräfte sie unterstützend begleiten. Ist das jetzt die Zukunft? 

Future Learning

Dr. Dr. Dierk Suhr, pädagogischer Leiter bei der Waldner Bildungsmarke Hohenloher, weiß es genauer. Als Experte für innovative Lernraumkonzepte im MINT-Bereich begleitet er viele Schulen im Transformationsprozess und kennt die neuesten Entwicklungen in Pädagogik, Didaktik und Schulbau. „Schulen wie die Stiftung Louisenlund erproben das Lernen der Zukunft heute schon sehr stringent. Wie viel Innovation in der Architektur vor Ort letztendlich jedoch möglich und gewollt ist, bestimmt immer das pädagogische Konzept. Klassenzimmer aufzulösen ist also nicht per se sinnvoll, aber dann, wenn selbstbestimmtes Lernen im Fokus steht. Will man auch die klassische Kreidetafel durch ein Smartboard zu ersetzen, muss es auch digitale didaktische Konzepte geben.“ 

Ebenso können es offene Lern- und Laborlandschaften nur da geben, wo die pädagogische Vision der Schule solche innovativen Raumkonzepte fordere, so Suhr weiter. Freiheiten, die für aktuelle Schülergenerationen wie das Paradies klingen dürften, bedeuten laut Suhr für die Lehrkräfte eine neue, nicht zu unterschätzende Herausforderung: „Schlussendlich müssen Lehrerinnen und Lehrer dafür Sorge tragen, den relevanten Lernstoff in den individuellen Projekten unterzubringen.“  

Woher wissen, ob’s funktioniert? 

Die gute Nachricht vorweg: Moderne Lernformen, wie die selbstbestimmte Wissensaneignung, schließen den Mut zur Lücke bewusst ein. Im Zeitalter der Wissensexplosion können und müssen Lernende nicht mehr „alles“ wissen. Warum auch? Wissen ist jederzeit verfügbar und KIs im Zweifel ohnehin intelligenter programmiert. Vielmehr, so prognostiziert das Zukunftsinstitut, werden Lernende lernen müssen, mit Wissen und Nichtwissen souverän umzugehen. 

„Auch Schulleitung und Lehrkräfte müssen sich von der Vorstellung lösen, alles planen und durchstrukturieren zu können“, bekräftigt Dierk Suhr. Projektbasiertes, vernetztes, fächerübergreifendes, phänomenbasiertes, entdeckendes, forschendes und kooperierendes Lernen, wie es speziell der MINT-Bereich gerne praktiziere, fordere immer ein gewisses Maß an Freestyling ein. „Denken in Zusammenhängen, Experimentieren, Dinge machen und selbst ausprobieren – all das ist von Natur aus ergebnisoffen. Scheitern gehört in Naturwissenschaften und Technik dazu, weil durch Versuch und Irrtum Neues entsteht“, so Suhr weiter.  

Her mit 21st-Century-Skills 

Schon immer war die Zukunft ungewiss, der Weg dorthin jedoch noch nie so dynamisch und schnelllebig wie heute. „Das Lernen für morgen muss deshalb im Hier und Jetzt der Gegenwart beginnen. Natürlich nicht zwingend überall so radikal wie in Louisenlund!“, erklärt der Experte für Lernräume und liefert im selben Atemzug weitere Beispiele für gelungene innovative Bildung – auch im öffentlichen Bereich, an großen wie kleinen, städtischen wie ländlichen, etablierten und neuen Schulen. „Kinder und Jugendliche brauchen Lernformen und Methodiken, die ihnen erlauben, die nötigen Kompetenzen für das 21. Jahrhundert zu entwickeln – gerade weil wir ja gar nicht wissen, wie Lernen, Leben oder Arbeiten in zehn oder zwanzig Jahren tatsächlich aussehen werden oder welche Berufsbilder 2035 nachgefragt werden“, so Suhr weiter. 

Folgt man dem Tenor von Arbeitsmarkt- und Bildungsexperten sind Kreativität, kritisches Denken, Kollaboration und Kommunikation die wichtigsten 21st-Century-Skills. In einer Welt, die digitaler, diverser und inklusiver wird, ergänzt um ein weiteres „K“: Komplexität, bzw. der adäquate Umgang mit ebensolcher. Letzteres wird laut Prognose zur größten gesellschaftlichen Herausforderung werden. Auch beim Lehren und Lernen. 

Weg mit falsch verstandener Gleichheit 

Unzeitgemäß ist demnach auch die Vorstellung einer homogenen Gruppe, die sich bis zum Schulabschluss homogen beschulen lässt. „Sprachförderung, Hochbegabung, ADHS: Die Heterogenität ist heute groß wie nie – und darauf muss Schule reagieren!“, fasst Dierk Suhr die diverser werdenden Bedürfnisse beim Lernen zusammen und ergänzt: „Für ein zukunftsgerechtes Lernen muss Schule in allen Fächern darauf eingehen und – pädagogisch wie räumlich – Möglichkeiten sowohl für Kollaboration als auch für individuelle Entwicklung schaffen.“ Dazu gehöre z. B. der rhythmisierte Ganztag mit wechselnden Phasen von sozialem Miteinander und individuellen Interessen, Räume für Teamarbeit neben solchen fürs Selbstlernen, sowie die Idee, den Klassenverband aufzulösen, um Kompetenzen bedürfnisgerecht neu zusammenzuführen.  

Was wir für die Zukunft mitnehmen können 

Wir brauchen für die Bildung der Zukunft eine neue pädagogische Vision. Wenn es Schule gelingt, Mitsprache, selbstbestimmte Wissensaneignung und individuelle Kompetenzentwicklung zu fördern, Heterogenität und Individualität gelten zu lassen, Lernfreude und 21st-Century-Skills mitzugeben, sind wichtige Weichen gestellt. Je digitaler, inklusiver und diverser die Zukunft wird, umso essenzieller wird es werden, auch den Umgang mit Komplexität zu lernen. 

Reduktion aufs Wesentliche kann beispielsweise eine clevere Bewältigungsstrategie auf Komplexität sein. Alles, was unter veränderten Anforderungen nicht mehr gebraucht wird, kommt einfach weg. Das kann eine trennende Wand sein – oder gleich der gesamte Klassenverband samt Stundenplan wie in Louisenlund. 

Frischer Wind für eigene Visionen 

Auch wenn die Zukunft meist eher sanft statt stürmisch in Deutschlands Schulen einzieht: Gelungene Transformationsprozesse zeigen, dass schon viel Innovatives für die Bildung von heute und morgen erdacht und umgesetzt worden ist. Mal im gesamten Schulkomplex, mal auf Bereiche wie die MINT-Fächer konzentriert. Das kann ermutigen und inspirieren, Future Learning neu zu denken! Auch architektonisch, da der Raum als dritter Pädagoge unmittelbar mit modernen Lernformen verbunden ist, diese fördern oder sogar erst ermöglichen. 

Wie Raumkonzepte unter dem Primat von Pädagogik und Didaktik entwickelt werden, kann im Buch „MINTSPACE“ erforscht und  nachvollzogen werden (kann bei Hohenloher kostenfrei bezogen werden). 

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